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Die Pest taucht auf, es herrscht noch Ungläubigkeit:

„Plagen sind ja etwas Häufiges, aber es ist schwer, an Plagen zu glauben, wenn sie über einen hereinbrechen. Es hat auf der Welt genauso viele Pestepidemien gegeben wie Kriege, und doch treffen Pest und Krieg die Menschen immer unvorbereitet.“

„Sie machten weiter Geschäfte. Sie bereiteten Reisen vor, und sie hatten Meinungen. Wie hätten sie an die Pest denken sollen, die Zukunft, Ortsveränderungen und Diskussionen aufhebt? Sie hielten sich für frei, und niemand wird je frei sein, solange es Plagen gibt.“

„Es stimmt, daß die Bevölkerung beunruhigt ist … Und das Gerede übertreibt auch noch alles … Handeln Sie meinetwegen schnell, aber im Stillen … überzeugt, dass es sich um falschen Alarm handelt.“

Wenige warnen, Behörden spielen die Situation herunter:

„Die Frage ist nicht, ob die vom Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zu streng sind, sondern ob sie nötig sind, um zu verhindern, dass die halbe Stadt getötet wird.“

„Die Maßnahmen waren nicht drakonisch, und man schien dem Wunsch, die Öffentlichkeit nicht zu beunruhigen, viel geopfert zu haben.“

„Richtig verstanden und angewendet seien diese Maßnahmen so geartet, dass sie jede Gefahr einer Epidemie auf der Stelle beendeten.“

„Ich habe … erklärt, daß umfassende Maßnahmen nötig seine, nicht Phrasen, und dass eine richtige Barriere gegen die Epidemie errichtet werden müsse oder gar nichts.“

Ernst der Lage wird erkannt, der Eroberungsfeldzug der Pest beginnt:

„Unsere Mitbürger, die bis dahin ihre Beunruhigung weiter mit Scherzen kaschiert hatten, wirkten jetzt auf der Straße niedergeschlagener und stiller.“

„Aber als die Tore auf einmal geschlossen waren, merkten sie, daß sie alle … in derselben Falle saßen und sich damit abfinden mussten. So wurde zum Beispiel ein so individuelles Gefühl, wie das Getrenntsein von einem geliebten Menschen, schon in den ersten Wochen plötzlich von einem ganzen Volk empfunden und war zusammen mit der Angst das schlimmste Leid dieser langen Zeit des Exils.“

„Man kann sagen, dass die erste Auswirkung dieser brutalen Invasion der Krankheit darin bestand, unsere Mitbürger zu zwingen, so zu handeln, als hätten sie keine persönlichen Gefühle.“

„Auch da nahmen einige, übrigens wenige, Familien die Situation auf die leichte Schulter; sie stellten den Wunsch, ihre Verwandten wiederzusehen, über jede Vorsicht … Aber sehr schnell begriffen die Gefangenen der Pest, welcher Gefahr sie ihre Angehörigen aussetzten, und fanden sich damit ab, unter dieser Trennung zu leiden.“

Leiden, Egoismen, Unwissen, und eine kollektive Geschichte:

„Von da an fügten wir uns wieder in unser Gefangensein, waren wir auf unsere Vergangenheit angewiesen, und auch wenn einige von uns versucht waren, in der Zukunft zu leben, gaben sie es schnell auf, wenigstens sofern sie konnten, als sie die Verletzungen spürten, die die Phantasie letztlich denen zufügt, die sich ihr anvertrauen.“

„Es war zwar das Exil, in den meisten Fällen aber das Exil zuhause.“

„In diesem Ausnahmezustand von Einsamkeit konnte niemand auf die Hilfe des Nachbarn rechnen, und jeder blieb mit seiner Sorge allein.“

„…daß auch der Handel an der Pest gestorben war.“

„Viele hofften jedoch immer noch, die Epidemie werden aufhören und sie und ihre Familie verschonen. Infolgedessen fühlten sie sich noch zu nichts verpflichtet. Die Pest war für sie nur ein unangenehmer Besuch, der eines Tage gehen mußte, wie er gekommen war. Erschreckt, aber nicht verzweifelt war für sie der Augenblick noch nicht gekommen, in dem die Pest ihnen als ihre Lebensform schlechthin erscheinen sollte und sie das Leben vergessen würden, das sie bis dahin geführt hatten. Genaugenommen warteten sie ab.“

„…daß man über das Vorhandensein eines Pestdämons unterrichtet sein müsse und daß unsere Unwissenheit in diesem Punkt alle Meinungen, die man dazu haben mochte, zu leerem Stroh machte.“

„Aber nach dieser langen Schreckenszeit schien das Herz eines jedes einzelnen sich verhärtet zu haben, und alle gingen oder lebten neben den Klagelauten her, als seien sie die natürliche Sprache der Menschen gewesen.“

„Dabei griff die Pest auf die Lungen über … Wie gewöhnlich wussten man immer noch nichts.“

„…daß zu viele Menschen untätig blieben, daß die Epidemie jeden angehe und jeder seine Pflicht tun müsse.“

„…die einzige Art, gegen die Pest anzukämpfen, ist der Anstand.“

„Es gab damals keine individuellen Schicksale mehr, sondern eine kollektive Geschichte, nämlich die Pest und von allen geteilte Gefühle.“

„Es muss gesagt werden, die Pest hatte allen die Fähigkeit zur Liebe und sogar zur Freundschaft genommen. Denn die Liebe verlangt ein wenig Zukunft, und für uns gab es nur mehr Augenblicke.“

Routinierter Stillstand, das Sterben geht weiter:

„Und während dieser ganzen Zeit ereignete sich nichts Wichtigeres als dieses ungeheure Auf-der-Stelle-Treten.“

„Aber es war so, als habe die Pest sich auf ihrem Höhepunkt gemütlich eingerichtet und verrichte nun ihre täglichen Morde mit der Präzision und Regelmäßigkeit eines guten Beamten.“

„Er war aber eigentlich der Meinung, man könne nichts voraussagen, da die Geschichte der Epidemien unerwartete Rückschläge verzeichnet.“

„Während die Pest durch die wirkungsvolle Unparteilichkeit, mit der sie schaltete und waltete, die Gleichheit unter unseren Mitbürger hätte verstärken sollen, verschärfte sie durch das natürliche Spiel des Egoismus in den Herzen der Menschen noch das Gefühl der Ungerechtigkeit.“

„Die Zeitungen gehorchten natürlich der Weisung zu einem Optimismus um jeden Preis, die sie bekommen hatten.“

Ein Licht am Horizont, vorsichtige Erleichterung:

„Die vergangenen Monate hatten zwar ihre Sehnsucht nach Befreiung verstärkt, sie aber auch Vorsicht gelehrt und daran gewöhnt, immer weniger mit einem baldigen Ende der Epidemie zu rechnen.“

„Alle waren sich darin einig, daß die Annehmlichkeiten des früheren Lebens nicht mit einem Schlag wieder dasein würden und daß es leichter sei, zu zerstören als wiederaufzubauen.“

„Im übrigen kann man sagen, daß die Herrschaft der Peste von dem Augenblick an beendet war, also für die Bevölkerung ein kleiner Funke Hoffnung möglich wurde.“

Die Erlösung, Wiedersehen, Aufatmen:

„Es war überall das gleiche Innehalten, die gleich feierliche Zwischenzeit, die immer gleiche Besänftigung, die den Kämpfen folgte, die Stille der Niederlage.“

„Alles, was der Mensch beim Spiel der Pest und des Lebens gewinnen konnte, waren Erkenntnis und Erinnerung.“

„Die ganze Stadt stürmte hinaus um diese zusammengedrängte Minute zu feiern, in der die Zeit der Leiden endete und die Zeit des Vergessens noch nicht angefangen hat.“

„Den Vorrat an Leben, den sie während der Monate angelegt hatten, in denen jeder seine Seele auf kleiner Flamme hatte brennen lassen, gaben sie an diesem einen Tag aus, der gleichsam der Tag ihres Überlebens war.“

Die Pest ist nie vorbei…sie ist das Leben:

„Aber was heißt das schon, die Pest? Es ist das Leben, sonst nichts.“

„Denn er wußte, was dieser Menge im Freudentaumel unbekannt war uns was man in Büchern lesen kann, daß nämlich der Pestbazillus nie stirbt und nie verschwindet … und daß vielleicht der Tag kommen würde, an dem die Pest zum Unglück und zur Belehrung der Menschen ihre Ratten wecken und zu Sterben in eine glückliche Stadt schicken würde.“