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Authenticity, Big Data, brand journalism, brand storytelling, business storytelling, change, Corporate Newsroom, Corporate Story Architecture, corporate storytelling, digital storytelling, drama, expectation, Organisational Storytelling, story, Storytelling, surprise
“You better start swimmin’
or you’ll sink like a stone,
for the times, they are a-changin’.
— Bob Dylan, 1964
Alles im Wandel, immer zu, immer wieder. Evolution, das reicht uns schon lange nicht mehr. Talkin’ ’bout a revolution! Allerorten, politisch, wirtschaftlich, medial. Auch im Land der unbegrenzten Marketingmöglichkeiten des Internet. Hochkonjunktur der Hilf- und Orientierungslosen. Und tatsächlich: Angeblich revolutionäre Trends schießen wie kontaminierte Pilze aus medialen Böden, seit Jahren. Werden uns professionell Kommunikativen auf dem Altar der digitalen Eitelkeiten feilgeboten wie heilige Grale: Folgt dem Messias – oder gehet unter im Fegefeuer der Followerlosen! Und was tun wir? Folgen, natürlich. Wie Brians Jünger der liegengebliebenen Sandale.
Schluss damit, liebe Volksfront von Digitalien! Emanzipiert Euch!
Übt Euch in kritischer Distanz zur selbsternannten Content Revolution. Zu altem Wein in neuen Schläuchen. Übt Euch in demütiger Bescheidenheit, bevor Ihr das Wort ‚Revolution’ in Mund oder Feder nehmt! Demut vor der Geschichte, die retrospektiv gnadenlos so Manches ins rechte Licht rückt – oder in den Schatten stellt.
Mit dem Weitwinkelobjektiv der Geschichte empfiehlt der Literaturwissenschaftler – vulgo Ego – Besinnung auf alte Werte aus Zeiten, als Storytelling noch Geschichtenerzählen hieß, und Content Literatur oder Dichtung. Lest Aristoteles und Opitz, Shakespeare und Goethe und all ihre Erben. Und lernt so ein wenig mehr Gelassenheit im Umgang mit scheinbar neuen Medien und deren Bewohnern, der unheimlichen Spezies namens User. Entlarvt und demaskiert ist dieser gar nicht mehr so undurchsichtig, bedarf gar keiner großer Daten (für Dengländer: Big Data), um verstanden zu werden. Zwar hat die multidirektionale, grenzenlose Erreichbarkeit und Vernetzheit des Indivualmassenmediums Internet (ob 1.0, 2.0 oder x.0) zu einer medialen Gerissenheit und einem kognitiven Vorsprung des Empfängers vor dem Sender geführt. Doch das ist keine schlechte, sondern eine gute Nachricht, führt sie doch im Kant’schen Sinne zu einem Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, lautete 1784 der Wahlspruch der Aufklärung, und das Internet ist Aufklärung 2.0: Menschen, die Corporate Messages und Corporate Advertising keinen Glauben mehr schenken, Menschen, die, unterstützt durch Technologie, gleichberechtigte Gesprächspartner werden. Nicht mehr der Leitung anderer folgen, sondern selbst diese Leitung zu übernehmen. Über Marken, deren Wahrnehmung, deren Inhalte. Insofern gibt es keine Content Revolution, sondern nur eine Content Quality Revolution, in der das Wort Content nicht nur für Inhalt, sondern auch Gehalt und Zufriedenheit des Empfängers, nicht des Senders steht.
Menschen sind kein Big Data, keine Nullen und Einsen. Sie sind subjektiv und individuell, nicht objektiv und kollektiv. Ein unberechenbarer Teil jeweils unterschiedlich beschaffener, unterschiedlich großer Gemeinschaften (neudeutsch: Communitys). Diese Menschen sind im digitalen Zeitalter Projektionsflächen für Geschichten, für Geschichten, die sie selbst erleben, aber auch für diejenigen, die sie aufsaugen – oder auch wieder angewidert ausspucken. Sie sind eben nicht mehr nur Rezipienten, Konsument und Lemming, sondern Produzent, Prosument und spielregelverändernde Punks.
Schreck lass nach!
Ein Entschreckungsszenario in drei Thesen:
1. User sind Menschen. Menschen lieben Geschichten. Und Geschichtenerzählen kann gelernt werden!
„Der storycodeX“ nach @herrdennehy: Erwartunges schaffen und befriedigen. Überraschen. Verändern.
2. Punks wollen sich nicht bevormunden lassen. Sie wollen mitgestalten und mitbestimmen. Lassen wir sie!
Poe weitergesponnen: Konzentration auf das Individuum in der Crowd, Beobachten, Loslassen. Als Marke zur Crowd werden, und die Crowd zur Marke werden lassen.
3. Alles ist vernetzt und organisiert. Drum müssen auch wir es sein!
Der Siemens Corporate Newsroom in der Unternehmenszentrale in München: Pionierarbeit und erfolgreiches Experiment themenbasierter Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg.
Die „Corporate Story Architecture“ nach @herrdennehy: Von der großen Markengeschichte über all die kleinen Geschichten, die diese zum Leben erwecken und glaubhaft machen, bis hin zur strategisch geplanten Präsenz der Marke im medialen Mark. Ein stabiles Gebilde, das so manchem medialen Hurricane standhält.
(Dieser Beitrag erschien erstmals am 5. Januar 2016 auf der Blogplattform des Content Marketing Forum unter http://content-marketing-forum.com/blog/wir-sind-punks/)
Mehr zur Corporate Story Architecture, dem storycodeX und der Idee der Co-Creation aus dem Corporate Newsroom im Buch „Storytelling – Digital, Multimedia, Social: Formen und Praxis für PR, Marketing, TV, Game und Social Media“, das im Frühjahr 2016 im Hanser Verlag erscheinen wird, nach- und weiterlesen.